LOWA stellt seit 1923 Wanderschuhe her. René Urfer, CEO von LOWA Schweiz, ist seit 35 Jahren im Unternehmen tätig und blickt auf die Entwicklung der Wanderschuhe in dieser Zeit zurück. Ausserdem erzählt er uns, warum LOWA auf den stationären Handel setzt und welche Vorteile Produktionsstandorte in Europa bieten.
René, kannst du dich noch an deine Wanderschuhe vor 35 Jahren erinnern? Was sind die Unterschiede zu heute?
Die grössten Unterschiede gibt es in der Herstellung und der Machart: Heute werden die Schuhe geklebt. Durch eine veränderte Herstellung waren die damaligen Modelle viel schwerer und robuster. Heute ist der Komfort wesentlich besser. Ein «Einlaufen» der Schuhe ist nicht mehr nötig. Und wenn ich die Sortimentsbreite und Vielfältigkeit in Erinnerung rufe, hat sich auch einiges getan. Als ich bei LOWA startete, gab es ungefähr 25 Modelle und ein Modell gab es in maximal zwei Farben. Heute haben wir über 500 Modelle inklusive Farbvarianten. Beim Renegade allein sind es über 10 Farbmodelle.
Was ist deine Aufgabe als CEO von LOWA Schweiz?
Wir geniessen bei LOWA Deutschland eine wichtige Stimme und können bei der Entwicklung aktiv mitwirken, weil wir das grösste Exportland sind. Unsere Inputs werden sehr geschätzt und von unseren Kollegen aus Deutschland werden wir als Vorreiter angesehen, da wir meist einen Schritt weiter sind.
Zudem bin ich sehr nah bei der Marketingabteilung, wenn es um die Positionierung unserer Produkte und um das Omnichanel (Anmerkung der Redaktion: Kontaktstellen, Kundenreisen und Synchronisierung der verschiedenen Kanäle) geht. Zudem ist mir das Führen und die Betreuung meiner Mitarbeitenden sehr wichtig. Wir haben eine sehr tiefe Fluktuation, weil sich unsere Mitarbeitenden bei uns sehr wohl fühlen.
In der Schweiz verfügen wir beispielsweise über eine eigene Werkstatt, sodass wir Reparaturen und Neubesohlungen lokal vornehmen können.
Wie schafft ihr es, dass eure Produkte nicht nur langlebig und robust, sondern auch umwelt- und gesundheitsverträglich sind?
Unsere Produktionsstandorte befinden sich ausnahmslos in Europa. Hier sind nicht nur die Vorgaben wesentlich strenger, sondern auch die Standards für faire Arbeitsbedingungen usw. sind höher als ausserhalb Europas. Die Wege sind auch kürzer, sodass Kontrollen einfach und effizient sind. In der Schweiz verfügen wir beispielsweise über eine eigene Werkstatt, sodass wir Reparaturen und Neubesohlungen lokal vornehmen können. So verlängern wir einerseits die Lebensdauer unserer Produkte für die Kunden und andererseits müssen wir die Schuhe für den Service nicht zu unseren Produktionsstandorten senden.
Kennt ihr alle eure Zulieferer von Fäden, Knöpfen, Leder ..?
Wenn man eigene Fabriken hat, sind die Zulieferer besser bekannt. Unsere Fabrik in der Slowakei produziert beispielsweise über 95 % LOWA-Produkte und der Mitinhaber ist mit 20 % an LOWA beteiligt. Beziehen wir das Material direkt beim Produzenten, ist die Zulieferkette bekannt. Wo es manchmal nicht ganz einfach ist, den Zulieferer zu kennen, ist bei den Ösen und Häkchen.
Apropos Material: Aus welchen und wie vielen Teilen bestehen Trekkingschuhe?
Für die Fertigung eines einzelnen Trekkingschuhs sind ca. 190 Einzelteile, unzählige Meter Faden, viel Klebstoff und viel Handarbeit nötig. Nehmen wir den «Trekker» als Beispiel:
- 30 Teile Leder
- 42 Teile Verstärkungen
- 110 Metallteile
- 10 Bodenteile
Dazu kommen 65 Meter Faden und etwa 200 Gramm Klebstoff.
Was ist der schwierigste Teil bei der Produktion von Wanderschuhen?
Bei der Verarbeitung der Gore Membran in der Produktion ist exaktes Arbeiten sehr wichtig, da sonst die Schuhe nicht wasserdicht sind!
Ihr habt eine vegane Kollektion?
Wir haben zwei Schuhmodelle (Irox und Lyxa), die 100 % vegan sind. Sogar der Klebstoff ist frei von tierischen Bestandteilen. Allerdings ist der Nachweis, dass keine tierischen Produkte in den verwendeten Komponenten vorhanden sind, ziemlich aufwendig. Dies liegt vor allem auch daran, dass hochwertige Outdoor-Schuhe aus sehr vielen Einzelteilen und Komponenten bestehen. Beim Modell INNOX sind es beispielsweise mehr als 150 Teile. Nach eigens auferlegten Regeln verwenden wir in keinen Schuhen Merinowolle, die unter Anwendung von Mulesing gewonnen wird, keine Daunen, keine Milch und andere Lebensmittelfasern, keine Nanotechnologie, keine Antitranspirante, keine Biozide und keine Anti-Schimmelmittel.
Bei euch kann man keine Schuhe direkt ab Werk beziehen. Was sind die Gründe hierfür?
Wir haben bewusst und aus guten Gründen keinen Fabrik, Lager oder Direktverkauf. Die individuelle Passgenauigkeit und ein spezielles Anforderungs profil erfordern eine intensive und gute Beratung, die nur der Fachhandel bieten kann. Solange wir unsere Produkte in die bestehen Vertriebskanäle einbinden können, werden wir die Strategie nicht ändern.
Ich glaube nach wie vor, dass Emotionen und die «Beziehung zum Menschen» beim Kauf wichtig sind.
Das heisst, ihr setzt auch weiterhin auf den stationären Handel?
Genau. Für unsere Grösse ist der stationäre Handel sehr wichtig und dank unseres grossen Lagers können wir diesen auch gut unterstützen. Im Online wie auch im stationären Handel ist die rasche Verfügbar keit immer wichtig. Allerdings bin ich mir nicht so sicher, wie sich der Onlinehandel in Zukunft verändern wird. Ich glaube nach wie vor, dass Emotionen und die «Beziehung zum Menschen» beim Kauf wichtig sind. Und diesen Punkten wird der stationäre Handel besser gerecht.
Lassen sich deiner Meinung nach Schuhe «digitalisieren»?
Es gibt heute bereits Marken, die Sohlen mit 3D-Druck herstellen. Diese Technologie wird Fuss fassen. Ich finde es für die Zukunft wichtig, dass wir Produkte bauen, die in erster Linie gefallen, bequem und am Markt verfügbar sind.
Kommen wir nochmals auf deinen langjährigen Einsatz für LOWA zurück. Was hat dich in dieser Zeit am meisten bewegt?
Als wir das Modell Renegade präsentierten. Dieses hat uns mehrere Stufen nach vorne gebracht. Und es wird nach wie vor sehr stark nachgefragt. Es ist ein Modell mit einer neuen Technologie, ist sehr bequem und hat einen grossen Anwendungsbereich. Es hat einfach alles zusammengepasst. Das hat mich sehr beeindruckt. Und Werner Riethmann*. Er war als ehemaliger CEO von LOWA mit Herzblut bei der Arbeit und er hat die Marke dorthin gebracht, wo sie heute ist.
** Werner Riethmann bleibt der Geschäftsführung bis 2020 treu, wird sich allerdings sukzessive aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Seit 1. Januar 2019 ist Alexander Nicolai CEO.
Bist du «nur» ein Läufer oder wagst du dich auch mal in «fremde» Schuhe?
Ja, durchaus. Ich fahre sehr gerne Ski und bin auch mit dem Velo unterwegs. Aber beim Velofahren kommen auch LOWASchuhe zum Einsatz. Ich begebe mich also nur in fremde Schuhe, wenn ich muss (schmunzelt).
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