Er überrascht, bringt zum Staunen und Schmunzeln zugleich: Udo Raunjak ist Head of Research & Development bei TOKO. Er erzählt uns, dass man seine Ski wie eine Jacke imprägnieren muss und erklärt, wie ein professionelles Testing in den Bergen abläuft. Aber vor allem werden wir uns bewusst, was im Labor in Altstätten alles ausgetüftel wird.
Haben Sie Ihre Ski schon mal imprägniert? Ihre Jacke und Ihre Schuhe? Sie meinen, dass man Ski nicht imprägniert? Natürlich legen Sie Ihre Ski nicht in die Waschmaschine. Aber ein Skiwax hat – vereinfacht gesagt – keine andere Funktion als eine Imprägnierung. Genau genommen fahren wir auf Wasser. Und je besser unsere Ski das Wasser abstossen, desto schneller sind wir auf der Piste. Bei der Regenjacke wollen Sie auch nicht, dass das Material das Wasser aufsaugt, sondern abstösst. Ebenso beim Ski. Der Wax verhindert, dass sich das Wasser mit dem Skibelag verbindet. Wenn wir also unsere Ski nicht regelmässig pflegen, bleiben wir auf der Piste wortwörtlich hängen.
Fünf Jahre Entwicklungsarbeit für 0.1 Sekunden
TOKO ist weltweit Marktführer, was Pflegeprodukte für den Skisport betrifft. Die meisten professionellen Rennfahrer vertrauen auf die Produkte von TOKO. Bestimmt keine Herausforderung, wenn man ja mal ein gutes Produkt entwickelt hat, ist der Rest ganz einfach. Wirklich? TOKO ist seit bald 100 Jahren im Markt präsent und da ist einiges an Wissen zusammengekommen. Wax wird natürlich nicht immer wieder neu erfunden. Die Basis ist gleich. Die Herausforderungen sind aber die Feinheiten. Wie schafft man es, einen Wax so zu produzieren, dass der Profi-Skifahrer schneller unterwegs ist? Welchen Einfluss haben die natürlichen Gegebenheiten wie beispielsweise Wind, Schneezustand und Sonne? Udo Raunjak hat die Antworten. Eine Koryphäe auf seinem Gebiet, denn er hat an der ETH Micro- und Nanotechnologie studiert. Seine Partner sind vor allem die ETH, EMPA in St. Gallen und die ZHAW in Winterthur. Das Labor – ausgerüstet mit unzähligen Geräten wie Mikroskop und Infrarotkamera – hat eine Million Franken gekostet. Hier werden bis zu 100 verschiedene Rohstoffe analysiert. Ein Wax kann aus 50 bis 100 verschiedenen Sorten bestehen. Die Forschung ist extrem wichtig, aber ein erfolgreiches Produkt kommt vielleicht alle fünf Jahre auf den Markt. 95 % der Arbeit von Udo und seinem Team bleiben auf der Strecke. Aber es lohnt sich. Denn wenn ein Wax so entwickelt wurde, dass ein Profiskifahrer auf 20 Sekunden 1/10 schneller ist, dann ist das ein Sechser im Lotto.
Aufwendiges Testing in den Bergen
Neben TOKO gibt es noch ungefähr 40 weitere Firmen, die Pflegeprodukte für den Wintersport anbieten. Die langjährige Erfahrung, das gute Netzwerk der Forscher und Zugang zu exklusiven Laborgeräten: Deshalb setzen Profis wie auch viele andere auf TOKO. Neben der Entwicklung im Labor ist das Testing in den Bergen ein wesentlicher Faktor für die Arbeit von Udo. Dann zeigt sich, ob er einen Schritt weiter gekommen ist oder nochmals neu beginnen muss. Ein solches Testing wird umfassend organisiert. Die Testfahrer sind ehemalige Profis und weisen pro gefahrenen Ski nicht mehr als fünf Hundertstel Zeitunterschied aus. Auch geradeaus fahren will gelernt sein. An so einem Testing nehmen ungefähr zwölf Fahrer teil, die mit bis zu sechs unterschiedlichen Skimarken immer die gleiche Strecke fahren. Eine Waxprobe wird immer doppelt aufgetragen und es gibt auch immer eine Referenzprobe. So wird jeder Wax mehrmals getestet. Erst wenn die Resultate aller Fahrer übereinstimmen, erhal- ten die Entwickler eine verlässliche Aussage. Führt ein Wax dazu, dass zehn von zwölf Fahrern schneller sind, reicht dies nicht aus, um den Wax als erfolgreich einzustufen. Übrigens wissen die Fahrer selbst nicht, welchen Wax sie auf den Skiern haben. Ein solches Testing wird natürlich nicht nur durch die Fahrer beeinflusst. Viel wichtiger sind auch die Wettereinflüsse: Wind, Schneezustand, Sonneneinstrahlung… Auch wenn 95 % der Entwicklungsarbeit von TOKO ergebnislos bleibt, machen es die 5 % wieder wett. Wenn die Kunden weltweit für ein neues Produkt Schlange stehen, ist das eine schöne Bestätigung. Vielleicht wird die Express Racing Paste die Schneewelt erobern. Das hochfluorierende Pistenwax, seit diesem Jahr auf dem Markt, kann für alle Schneearten und Temperaturen eingesetzt werden.
Ein aussergewöhnlicher Einblick
An diesem Abend haben die Mitarbeiter von Pais viel über chemische Formeln, Molekülen und Rohstoffen wie Paraffin gehört. Dieser Einblick war selbst für die Pais-Mitarbeiter aussergewöhnlich. Sandro bleibt vor allem das Verhalten des Wassermoleküls hängen: «Eigentlich ist Schnee ja Wasser. Und damit unsere Ski nicht ‹versaufen›, müssen wir sie gut imprägnieren.» Und Ivo ist trotz der Komplexität in der Entwicklung davon überzeugt, dass jeder seine Ski selbst gut pflegen kann: «Mit den drei Waxfarben hat man eigentlich alles abgedeckt. Selbst der Rennsport hat nicht unzählige Produkte mehr. Man behält selbst als Privatnutzer einen guten Überblick». Dank TOKO haben die Mitarbeiter wieder einiges Wissen mehr im Rucksack. Denn nur durch solche Blicke hinter die Kulissen lernt man ein Produkt und dessen Eigenschaften wirklich kennen. Der Abend war auch aussergewöhnlich für TOKO. Denn einen solch vertieften Einblick hatten sie bis anhin einem Sportfachgeschäft noch nie gewährt. Wir verlassen das Labor in Altstätten: überrascht, erstaunt und mit einem Schmunzeln.
Gewusst?
Haben Sie gewusst, dass ein Profiskifahrer «nur» 70 % seiner Leistung beeinflussen kann? 30 % macht das reine Material (Ski & Schuhe, Bindung & Platten, Skistruktur und Wax) aus.
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